Montag, 23. Juli 2007

fuck you! (und geschichtsphilosophie)

so, da ich nun endlich, endlich von den intellektuellen zumutungen meines soziologie-studiums befreit hier mein boshaft-hämisches hohngelächter über meine kommilitonen, eine wundervolle passage aus dem klassiker "über das elend im studentenmilieu":


Sicherlich gibt es trotz allem unter den Studenten einige von genügendem intellektuellem Niveau. Diese meistern ohne Mühe die elenden Leistungskontrollen, die auf die Mittelmäßigen zugeschnitten sind und sie meistem sie gerade deswegen, weil sie das System durchschaut haben, es verachten und wissen, daß sie seine Feinde sind. Sie nehmen sich das Beste, was das Studiensystem zu bieten hat: die Stipendien. Indem sie die Lücken der Kontrolle ausnutzen, deren eigene Logik sie hier und heute dazuzwingt, einen kleinen rein intellektuellen Bereich der "Forschung" aufrechtzuerhalten, treiben sie ruhig die Unruhe bis auf die Spitze: ihre offene Verachtung für das System paart sich mit der Hellsichtigkeit, die es ihnen gerade emmöglicht, stärker als die Diener des Systems zu sein – und zwar zuerst auf intellektuellem Gebiet. Diejenigen, von denen wir sprechen, gehören bereits zu den Theoretikern der kommenden revolutionären Bewegung und sind sich dessen bewußt, daß sie mit ihr zugleich an die Öffentlichkeit treten werden. Sie verheimlichen niemandem, daß sie das, was sie so leicht dem "Studiensystem" entnehmen, zu dessen Zerstörung benutzen. Denn der Student kann gegen nichts rebellieren, ohne gegen seine Studien zu rebellieren und er spürt die Notwendigkeit dieser Rebellion weniger natürlich als der Arbeiter, der spontan gegen seine Lage rebelliert. Aber der Student ist ein Produkt der modernen Gesellschaft, genau wie Godard und Coca-Cola. Seine extreme Entfremdung kann nur durch die Kritik der ganzen Gesellschaft kritisiert werden. Keinesfalls kann diese Kritik auf dem studentischen Gebiet vollzogen werden: der Student als solcher maßt sich einen Pseudowert an, der ihm verbietet, sich seiner wirklichen Enteignung bewußt zu werden und er bleibt damit auf dem Gipfel des falschen Bewußtseins. Aber überall dort, wo die moderne Gesellschaft kritisiert zu werden beginnt, bricht eine Revolte der Jugend los, die unmittelbar einer totalen Kritik des studentischen Verhaltens entspricht.


hihi!

zwei weitere proben sollten zur genüge die qualität des textes verdeutlichen:

Seine äußerst ärmliche ökonomische Lage verurteilt den Studenten zu einer sehr wenig beneidenswerten Form des Überlebens. Aber immer mit sich zufrieden erhebt er sein triviales Elend zu einem originellen "Lebensstil": kultivierte Armut und Boheme. Die "Boheme", die bereits weit davon entfernt ist, eine originelle Lösung zu sein, wird nur nach einem endgültigen und unabänderlichen Bruch mit dem Universititsmilieu echt gelebt werden. Ihre Anhänger unter den Studenten (und alle kokettieren damit, es ein wenig zu sein) klammern sich also lediglich an eine künstliche und heruntergekommene Version dessen, was bestenfalls nur eine mittelmäßige individuelle Lösung ist. Damit verdienen sie sogar die Verachtung von alten Damen auf dem Lande. Dreißig Jahre nach Wilhelm Reich (8), diesem hervorragenden Erzieher der Jugend, haben diese "Originale" immer noch die traditionellsten Erotik- und Liebseverhaltensweisen und reproduzieren in ihren sexuellen Beziehungen die allgemeinen Beziehungen der Klassengesellschaft. Die Fähigkeit des Studenten, einen Militanten jeden Kalibers abzugeben, sagt viel über seine Impotenz. Innerhalb des Spielraums individueller Freiheit, der durch das totalitäre Spektakel erlaubt wird, und trotz seines mehr oder weniger flexiblen Stundenplanes ignoriert der Student immer noch das Abenteuer und zieht die ihm knapp bemessene alltägliche Raumzeit vor, die für ihn von den Wächtern desselben Spektakels eingerichtet worden ist.


und:

"Avantgarde sein heißt, mit der Wirklichkeit Schritt halten" (16). Die radikale Kritik an der modemen Welt muß jetzt die Totalität zum Gegenstand und zum Ziel haben. Sie muß untrennbar ihre wirkliche Vergangenheit, das, was sie wirklich ist und die Pespektiven ihrer Veränderung betreffen. Um die ganze Wahrheit der gegenwärtigen Welt sagen und mehr noch das Projekt ihrer totalen Subversion formulieren zu können, muß man imstande sein, ihre ganze verborgene Geschichte zu enthüllen, d.h. völlig entmystifiziert und grundsätzlich kritisch die Geschichte der gesamten internationalen revolutionären Bewegung mit ihren Niederlagen und Siegen zu betrachten, die das Proletariat der westlichen Länder vor mehr als einem Jahrhundert ausgelöst hat. "Diese Bewegung gegen die gesamte Organisation der alten Welt ist längst zuende" (17) und gescheitert. Mit der Niederlage der proletarischen Revolution in Spanien (Barcelona im Mai 1937) ist sie zum letztenmal geschichtlich in Erscheinung getreten. Ihre offiziellen "Niederlagen" oder "Siege" müssen jedoch im Licht ihrer Verlängerungen beurteilt und ihre Wahrheit wiederhergestellt werden. So können wir behaupten, daß "es Niederlagen gibt, die Siege sind und Siege, die beschämender sind als Niederlagen" (Karl Liebknecht am Vortage seiner Ermordung). Die erste große "Niederlage" der proletarischen Macht, die Pariser Kommune, stellt in Wirklichkeit ihren ersten großen Sieg dar, denn zum ersten Mal hat das "primitive" Proletariat seine geschichtliche Fähigkeit behauptet, frei alle Aspekte des öffentlichen Lebens zu gestalten. Entsprechend war ihr erster großer "Sieg", die bolschewistische Revolution, letzten Endes nur ihre folgenschwerste Niederlage. Der Triumph der bolschewistischen Ordnung fällt mit der Bewegung der internationalen Konterrevolution zusammen, die mit der Zerschlagung der Spartakisten durch die deutsche "Sozialdemokratie" ihren Anfang nahm. Ihr gemeinsamer Triumph war tiefer als ihr scheinbarer Gegensatz und diese bolschewistische Ordnung stellte schließlich nur eine neue Verkleidung und eine besondere Gestalt der alten Ordnung dar. Die Ergebnisse der russischen Konterrevolution waren im Innern die Einführung und Entwicklung einer neuen Ausbeutungsweise, des bürokratischen Staatskapitalismus, und im Äußeren die Vervielfachung der Sektionen der sog. Kommunistischen Internationale als Zweigstellen für die Verteidigung und Ausweitung seines Modells. Damit blühte der Kapitalismus in seinen bürokratischen und bürgerlichen Varianten von neuem auf den Gräbern der Kronstädter Matrosen und der ukrainischen Bauern, der Arbeiter aus Berlin, Kiel, Turin, Shanghai und später Barcelona.


es wird übrigens bald auch im ceeieh artikel zur situationistischen internationalen geben. watch out!

Keine Kommentare: