Mittwoch, 3. Oktober 2007

black whole sun won't you come

Eine schwere Aufgabe, sich mit der Etymologie der Nazi-Symbolik auseinanderzusetzen, deren Quellen zu analysieren und Geschichte nachzuzeichnen, da sie weit zurückreicht, von ihrem Ursprung (der germanischen/nordischen Mythologie) zig willkürliche Deutungen und Transformationen durchlief, und aus der bloßen Unwissenheit über ihren wahren Ursprung im dritten Reich diverse wahnhafte Umdeutungen und Neubesetzungen erfuhr. Dieser Herausforderung hat sich Rüdiger Sünner in seinem Dokumentarfilm "Schwarze Sonne" gestellt. Es gelingt ihm nur zum Teil, sie zu meistern.

Er zeichnet beeindruckend nach, auf welcher 'Theorietradition' die esoterischen Spinnereien von Hitler, Himmler, Heß & Co sich stützen und belegt recht plausibel, daß sie nicht unwesentlich für deren Motive und Handeln waren. Die Chronologie erstreckt sich von Helena P. Blavatsky, die Begründerin der Theosophie, über Guido von List bis zu Rudolf von Sebottendorf, dem Begründer der Thule-Gesellschaft, zu deren Mitglieder sich auch Heß zählte und deren Gast nicht selten Hitler war. Gelungen ist auch die Darstellung und Betonung der Zentralität des mystischen Bezugs im 'Alltag' des dritten Reiches, durch die Architektur und ständiger 'Happenings', wie z.B. die Formung eines riesigen Licht-Monuments aus Scheinwerfern, dem über 140.000 Menschen beiwohnten oder der Bildung riesiger menschlicher Hakenkreuze, Fackelzüge etc. Die nachgewiesene Popularität solcher archaischen 'Happenings' passt so gar nicht zur hiesigen Darstellung der Geschichte, dernach die Deutschen selbst Opfer einer wahnsinnigen Führerelite gewesen seien, oder zumindest alles nur über sich haben ergehen lassen müssen. Leider bleibt diese Aussage nur implizit, in den Bildern versteckt.

Sünner betont zwar immer wieder die "unkritische" und "wilkürliche" Erforschung der germanischen Mythologie durch die Nazis, welche keine Falsifizierung zuließ - dort wo keine Erkenntnis gewonnen werden konnte, wurde sie schlicht erfunden - aber dies wohl nur, um im Umkehrschluß diese von der 'Beschmutzung' durch den Nationalsozialismus befreien zu können. Er tut dies, indem er nicht müde wird, Formulierungen wie 'übertriebener Gebrauch', 'zweckentfremdet' oder 'übersteigert' zu verwenden. Auch gefährlich unterkomplexe Gedanken, wie die, daß das arme deutsche Volk von Hitler durch diese so wirkungsmächtige Symbolik überrumpelt und so quasi zum NS verführt wurde, oder daß die an sich schon lupenreinen Rassentheorien der Helena P. Blavatsky 'mißbraucht' wurden, disqualifizieren seine Forderung nach rein 'wissenschaftlicher' Erforschung des Gegenstandes.

In seiner Darstellung des Verlaufs vom scheinbar harmlosen germanischen Riten zur NS 'Instrumentalisierung' übersieht er völlig, wie diesen archaischen Kulturen/Riten schon faschistoide Tendenzen im Kern eingeschrieben sind und stellt deswegen auch sehr konsequent die Frage nicht, warum gerade diese Gedankengebäude als Blaupause für die NS-Ideologie so hervorragend funktionierten. Er konstatiert lediglich, daß Leute wie Hitler und Himmler sich stark dafür interessierten - warum, das war ihm egal oder durch seine Affirmation verschleiert. Der Autor versucht immer wieder, die für ihn wohl anthropologische Konstante des metaphysischen Bedürfnisses, das für ihn wohl ganz selbstverständlich in der Suche nach 'ursprünglicher' (germanischer) Kultur münden muss, rein zu waschen vom nationalsozialistischen Gebrauch selbiger. Folgt man den Anspielungen Sünners, sei es wohl ein völlig natürliches Begehren, sich völkisch zusammenzurotten und archaischen Ritualen zu folgen, die das Individuum völlig durchstreichen und alles Äußere und Moderne als 'kühl', 'dekadent' usw. darstellt - man darf es halt nur nicht 'übertreiben', z.B. durch millionenfachen Mord. Diese krude Logik gipfelt im Schluß des Films durch ein Resümee, welches sinngemäß behauptet, wenn man nicht ein moderates Verhältnis zu seiner eigenen Kultur entwickle, würde man durch ausländische Kulturen vereinahmt - begleitet wurde dies visuell durch mondäne Szenen, wie z.B.die eines Kinos, welches als fremder 'Kulturtempel' bezeichnet wurde. Mehr Ressentiment geht nicht...

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